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Artikel zur CVJM-Geschichte

DIE PIONIERZEIT

Heute zählt er 535 Vereine zu seinen Mitgliedern, der CVJM-Westbund, der Zusammenschluss der CVJM im Westen Deutschlands, in Nordrhein-Westfalen, Hessen, im Saarland, in Teilen von Rheinland-Pfalz und von Niedersachsen. Er untergliedert sich in 39 Kreisverbände. Seine ersten Jahre sind echte Pionierarbeit. Eines entwickelt sich aus dem anderen.

IM CVJM-WESTBUND TUN SICH WELTEN AUF

Internationalität ist Teil der DNA des CVJM. Über den Tellerrand wird in deutschen Landen schon vor der Gründung des CVJM-Westbundes im Jahre 1848 geblickt.

Von den Jünglingsvereinen bis zur Gegenwart

In den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts, dem Beginn der Industriellen Revolution,

starten hier und da im Lande Azubis und Gesellen unabhängig voneinander

ihre kleinen, überschaubaren, christlich geprägten regelmäßigen

Zusammenkünfte. Das ist die Geburtsstunde erster „Jünglingsvereine“, so der

Name, der sich mehr und mehr durchsetzt. In direkter Nachbarschaft bekommt

man vielleicht Wind voneinander. Doch weiter weg, da ist‘s nur noch

ein großer weißer Fleck, obwohl man hier und da gar von einem ähnlichen

Verein deutscher „Jünglinge“ in einer Metropole des Auslandes weiß, so die

in Paris, London und Konstantinopel. Doch alltäglich wurschteln die Vereine

vor sich hin! Bis jedoch im Februar 1847 fünf Vereine aus Ostdeutschland die Initiative

ergreifen und sich per Zeitungsartikel auf die Suche nach weiteren Vereinen

in deutschen Landen begeben. Mit diesen Zeilen treten sie die Lawine los! Mit

Interesse werden sie im Ronsdorfer Jünglingsverein (Wuppertal) gelesen.

Die ihrerseits ergreifen nun die Initiative und bringen eine kleine Zeitschrift,

den „Jünglingsboten“, auf den Weg. Im Juli 1847 kann er über den Postzeitungsdienst

abonniert werden, und im folgenden Jahr geben sich in ihm bereits 28 Vereine mit eigenen Beiträgen oder Hinweisen zu erkennen. So ist bis hierhin der „Jünglingsbote“ die erste innovative informelle Plattform dieser neuen Bewegung. Dann aber findet sich schon im Juni 1848 eine anonyme „Anfrage“ auf Seite 48: „Würde es nicht zweckmäßig sein, wenn alle Jünglings-Vereine in der Rheinprovinz und Westphalen in einen gemeinsamen Verband zusammenträten und an einem Orte einen Central-Vorstand wählten, der eine Aufsicht der Vereine im Allgemeinen ausübte und auch an den Orten,

wo noch keine Vereine bestehen, solche aber möglich wären, zur Bildung derselben

Anregung gäbe?“ Angeregt davon werden jetzt Nägel mit Köpfen gemacht. Nach manchen Überlegungen im Hintergrund wird im August 1848 diese Idee im „Jünglingsboten“

aufgegriffen: „Zu dem Ende werden dieselben hierdurch zu einer Versammlung

auf Sonntag, den 20. August, Nachmittags 3 Uhr, nach dem Gottesdienste im Saale zu

Belle-vue am Bahnhofe in Elberfeld (Wuppertal) eingeladen.“ Man glaubt, „daß

eine Zusammenkunft und brüderliche Besprechung der Mitglieder und Freunde der

Jünglings-Vereine in gegenwärtiger Zeit ebenso zweckmäßig als segensreich sein

werde.“ Und es hat geklappt: „Weit über 200 Personen, theils Mitglieder der Jünglings-

Vereine, theils Freunde derselben, waren gegenwärtig. Ein erfreulicher Anblick!

Vertreten waren durch Deputirte die Vereine in Elberfeld, Barmen, Ronsdorf, Cronenberg,

Schwelm, Remscheid, Duisburg, Ruhrort und Düsseldorf. … Zu dem Ende

wurde beschlossen, daß von allen betheiligten Vereinen zwei Deputirte erwählt, und

die Erwählten innerhalb 4 Wochen dem Präses genannt werden sollen. Dieser wird

die sämmtlichen Deputirten zu einer Versammlung berufen und mit ihnen den Entwurf

eines Statuts anfertigen.“ Am 8. Oktober wird dann der „Rheinisch-Westphälische Jünglingsbund“ von neun Vereinen im „Locale der Bibelgesellschaft in Elberfeld“ offiziell aus der Taufe gehoben und alle Vereine eingeladen, „spätestens bis zum 18. Nov. D. J., ihren Beitritt zum Bunde unter Einreichung ihrer Vereins-Statuten zu erklären.“ Zehn

Vereine schaffen es bis dahin und werden am 6. Dezember in den Bund aufgenommen.

Damit ist er der erste formale überregionale Zusammenschluss in Deutschland. Gerhard Dürselen, der erste Präses des Bundes nennt ihn einen „Organismus“. Dieser entwickelt

sich in den nächsten Jahren dynamisch weiter. Doch was ist mit Vereinen wie Karlsruhe

und Stuttgart, die nicht im Rheinland bzw. in Westfalen angesiedelt sind, sich

trotzdem intensiv mit ihren Nachrichten und Beiträgen am Jünglingsboten

beteiligen? Überregional vorgeprescht, sind sich die Verantwortlichen der Problematik

bewusst. In einem Anhang der beschlossenen Satzung dokumentieren

sie: „Indem wir auch mit den Vereinen außerhalb Rheinland-Westphalen in brüderliche

Gemeinschaft zu treten wünschen, werden wir mit Freuden diese Vereine auf

ihren Wunsch als Glieder in den Bund aufnehmen, um auf solche Weise die Gemeinschaft

fester zu knüpfen.“ Dieses Angebot wird auch zahlreich angenommen. Überraschenderweise fällt dann aber im Jahre 1857 die Zahl der Mitgliedsvereine

plötzlich von 125 auf nur noch 80. Die Erklärung ist: Der „Östliche Bund“

wird gegründet, worauf natürlich Vereine dieser Region sich dort anschließen.

Weitere überregionale Zusammenschlüsse erfolgen später, was bei den Entfernungen ja auch Sinn macht. Diese neu gegründete Verbindung im Westen können deren Pioniere nun mit Leben füllen. Jeden Sommer sind alle Vereine zu Bundes-Jahresfest und Generalversammlung nach Elberfeld eingeladen. Vorher sitzen noch alle „Präsides“

der Mitgliedsvereine beisammen, tauschen sich aus und beraten. 1849 wird ein Team beauftragt, „ein Gesangbüchlein für Jünglingsvereine und reisende

Handwerker anzufertigen.“ Damit die Gesellen auf ihrer Wanderschaft „nicht unter die Räder“ kommen, wird ein „Wanderbüchlein“ mit Kontaktadressen der Ortsvereine herausgegeben, die gute Unterkünfte und Arbeitsstellen vermitteln können.

1850 widmen sich die Pioniere einer besonderen Herausforderung, denn in

der ersten Versammlung der Vereine, am 20. August 1848, „wurde der Wunsch

ausgesprochen, dass die Jahresfeste der Vereine zu einer bestimmten Reihenfolge statt

finden möchten.“ Diese sind nämlich fester Bestandteil der örtlichen Jahresaktivitäten,

und es ist guter Brauch, dass Vertreter aus den Nachbarvereinen mitfeiern.

Mehr und mehr Vereine werden gegründet und schließen sich an, und so

entsteht das Problem der Terminüberschneidungen. Mehrere Vereine feiern

am gleichen Tag. Da wird das Mitfeiern schwierig. Also werden die aktuell

38 Vereine im Dezember 1850 in „Fünf Kreise“ aufgeteilt und jeder Ortsverein erhält darin seinen Jahresfestsonntag. Ein halbes Jahr später erscheint diese

Liste bereits überarbeitet. Jetzt sind es bei 51 Vereinen schon „Sieben Kreise“.

Damit ist der Damm gebrochen, denn: „Die Bundesvereine haben mehrfach gegen

uns den Wunsch laut werden lassen, es möchten außer der großen Generalversammlung

in Elberfeld noch andere größere Versammlungen an andern Orten veranstaltet

werden. … Diese Kreiseintheilung benutzend, haben wir beschlossen, in jedem

Kreise und für ihn eine Kreisversammlung, der Reihe oder Bedürfniß nach, zu halten.

… Selbstredend können diese Kreisversammlungen nicht beschließender Natur

sein, wie unsere Generalsversammlung, sondern nur berathender, vorberathender

Natur.“ Wen wundert’s aber, dass sich dann schon bald in den Kreisen Vorstände

bilden, über ihre regionalen Belange beraten und schließlich alle Kreisvorsitzenden

zweimal im Jahr zusammenkommen und einmal im Jahr alle Kreisvorstände

gemeinsam nach Wuppertal eingeladen sind. Die Kreisverbände sind also ein Ergebnis der Fest- und Feierfreude der ersten im Jünglingsbund zusammengeschlossenen Vereine.

 

– Eckard M. Geisler
Archiv des CVJM-Westbund e. V.

Die Weltweite CVJM-Gemeinschaft

Die Mitglieder vom Jünglingsverein Ronsdorf (Wuppertal) lesen schon im Februar 1847 in den „Fliegenden Blättern“ von ähnlichen deutschsprachigen Vereinen in Paris, London und Konstantinopel. Im Novemberheft des „Jünglingsboten“ von 1847 berichtet L. J. aus Basel von den Schweizer Vereinen in Basel, Zürich, St. Gallen und Lachaurdefond. 1850 wird ein Verein in New York erwähnt und 1852 der in Boston, USA. Von dem Einen oder

Anderen kann man in der Folge dann auch immer mal wieder lesen und es spiegelt sich ein intensives Interesse der Leser an der Arbeit von Jünglingsvereinen im Ausland. Wen wundert’s, dass 1855 auch Delegierte des Rheinisch-Westphälischen Jünglingsbundes an der ersten Weltkonferenz in Paris teilnehmen. Zehn Jahre später wird man selbst Gastgeber der 4. Weltkonferenz in Elberfeld und Barmen (Wuppertal). 40 Delegierte

aus neun Ländern nehmen an der sechstägigen Konferenz teil. Ihre Anreise wurde durch das sich in diesen Jahren intensiv ausbreitende Eisenbahn- Netz begünstigt. Auch 1884 (Kassel und 1909 (Elberfeld und Barmen) traf sich die CVJM-Welt im Westbund-Gebiet.

Die beiden Weltkriege erschweren internationale Begegnungen erheblich. Bemerkenswert ist, dass sich dann bereits 1957, also zwölf Jahre nach dem Krieg, die CVJM-Welt wieder in Deutschland trifft: im noch von vielen Kriegsruinen gespickten Kassel. Der deutsche CVJM und auch Vereine im CVJM-Westbund profitieren von

der Wiederaufbauhilfe durch den internationalen YMCA, vor allem aus den USA. Da ist es verständlich, dass sich die Verantwortlichen dafür öffnen, anderen Nationalverbänden „in

Not“ zu helfen. 1959 wird Fritz Pawelzik aus dem Ruhrgebiet als erster Bruderschaftssekretär zum YMCA nach Ghana, Westafrika, gesandt. Wichtige Impulse für die Arbeit und auch wesentliche Infrastruktur dort sind ihm zu verdanken. In Accra entstehen ein Hostel und ein Berufsausbildungszentrum mit den Büros des Nationalverbandes. Sein Dienst ist der Beginn einer intensiven fortdauernden Partnerschaft. Als er Jahre später dann im Westbund als Bundessekretär für den

Weltdienst arbeitet, gibt er den Anstoß für Partnerschaften mit Ortsvereinen aus Ghana und Sierra Leone. 1972 folgt ihm Wolfhard Schroeter in den YMCA an der Goldküste. Beide YMCA wollen jungen Menschen eine Perspektive geben. So entstehen mit Unterstützung

des Weltdienstes Kindertagesstätten, Schulen und Berufsausbildungszentren.

Partnerschaft soll aber keine Einbahnstraße sein: 1994 kommt der ghanaische

YMCA-Sekretär Samuel Anim für zwei Jahre als Bruderschaftssekretär nach Wuppertal und ist kompetenter und sympathischer Botschafter seines Landes und YMCAs.

Vom Vorbild Ghana inspiriert erhält der CVJM-Westbund die Anfrage, auch einen Sekretär in den YMCA in Sierra Leone (Westafrika) zu entsenden. Es beginnt eine Partnerschaft, die auch gleich Beziehungen zwischen Ortsvereinen miteinschließt. Mit Erich Kotnik,

Günter Theophel und Berthold Messinger, jeweils mit Ehefrauen und Familien, sind es dann drei Bruderschaftssekretäre, die zwischen 1979 und 1995 dort mitarbeiten.

Für den Westbund bleibt sein internationales Engagement nicht auf Westafrika beschränkt, denn in Graz in Österreich soll ein CVJM wiedergegründet werden. Ab 1980 wird dort der Dienst von Dietrich Fischer als Bruderschaftssekretär unterstützt. Ihm

folgt der an der CVJM-Sekretärsschule in Kassel ausgebildete Österreicher Alexander Sadilek. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs können mithilfe der internationalen

CVJM-Gemeinschaft in vielen osteuropäischen Ländern YMCA neu starten.

In sogenannten Fieldgroups werden sie von Mitarbeitenden europäischer CVJM beim Aufbau ihrer Arbeit begleitet. So wird auch der KIE (CVJM) in Ungarn wieder aus der Taufe gehoben, der Interesse an einer intensiveren Beziehung zum deutschen CVJM zeigt.

Und es ist der CVJM-Westbund, der diese Anfrage gern entgegennimmt.

Im April 1998 besucht eine kleine Delegation das Land; viele Begegnungen

mit unterschiedlichen KIE-Gruppen ermöglichen ein intensives Kennenlernen.

Es ist der Beginn einer weiteren Weltdienst-Partnerschaft, die sehr intensiv von der Bündischen Jugendarbeit mitgestaltet wird. Im Leitbild der Leitungsebene des

CVJM-Westbund wird 2004 festgehalten: „Als Teil der weltweiten CVJM-Bewegung

sind wir besonders durch unsere internationalen Partnerschaften mit der weltweiten CVJM-Gemeinschaft verbunden.“ Bis 2020 firmiert dieses internationale Engagement als

„CVJM-Weltdienst“. Aktuell rücken aber die CVJM in Europa intensiver in den Focus, erlebbar bei internationalen Events, Tagungen und Austauschprogrammen,

und es wird überlegt, wie Gastfreundschaft gelebt werden kann, wenn die Welt zu uns nach Hause kommt und wie interkulturelle Arbeit hier vor Ort gestaltet werden kann. So erklärt sich das neue Label: „CVJM Weltweit“. Ja, im CVJM-Westbund tun sich Welten auf …

– Eckard M. Geisler
Archiv des CVJM-Westbund e. V.